Großhändler Löwenzahn hört auf

Biohandel / November 2000 / aktuelle Meldungen

Für die meisten kam die Nachricht überraschend: Der Bielefelder Regionalgroßhändler Löwenzahn hat am 13. Oktober seinen Geschäftsbetrieb als Großhändler eingestellt. Die Firma schrieb bis zuletzt schwarze Zahlen, es wurden keine Lieferanten geschädigt. Für Inhaber Detlef Stoffel war es wichtig, den Betrieb so zu beenden, dass "kein Geld kaputtgemacht" wird. Zum Teil werfen die Gründe, die Löwenzahn zum Aufhören bewogen, Fragen auf, die sich auch andere Regionalgroßhändler stellen müssen. /Peter Gutting
Anfang Oktober ging alles sehr schnell: Am 6.10. wurde die Belegschaft informiert, die Läden erfuhren einen Tag später davon. Und am 9.10. ging ein Brief mit einer ausführlichen Begründung an Lieferanten und andere Branchenangehörige heraus. Die wesentlichen Botschaften: Löwenzahn empfiehlt den Einzelhändlern, zum Großhändler Weiling zu wechseln. Und: Für Detlef Stoffel gibt es laut einem Gesellschafterbeschluss das Angebot, ab Januar auf einer bezahlten halben Stelle als Geschäftsführer der NIEB-Firma Marketing für Naturkost GmbH (MfN) zu arbeiten (bisher übte er diese Tätigkeit gegen eine Aufwandsentschädigung aus, die an die Firma Löwenzahn ging).
Insgesamt hat Löwenzahn rund 200 Adressen in der Kundenkartei. Mit 90 von ihnen erzielte der Großhändler etwa 90 Prozent des Umsatzes. Davon sind der weitaus überwiegende Teil Naturkost- und Hofläden.
Nachdenklich macht die Begründung für das Aus. Im Mai 2000 kam die Kündigung des Mietvertrages zum Jahresende. Dadurch spitzte sich die Frage zu, mit welcher Strategie und welchem Profil das Unternehmens die nächsten zehn bis 15 Jahre bestehen würde. Denn dem Geschäftsführer war klar, dass man am bestehenden Standort mit der derzeitigen Ausstattung kaum mehr als ein bis zwei Jahre hätte weitermachen können. Ein Beispiel: "Ohne gekühlte Kommissionierfläche zu arbeiten, ist heutzutage eigentlich nicht mehr akzeptabel." Aufgrund des Preisdrucks und der nicht gestiegenen Spanne hätten die nötigen Investitionen jedoch die Kraft des Unternehmens überfordert. Trotz schwarzer Zahlen habe man nicht die nötigen finanziellen Polster anlegen können.
Auf der anderen Seite wäre es nicht realistisch gewesen, kurzfristig auf überdurchschnittliche Umsatzzuwächse zu bauen. Denn Löwenzahn konzentrierte sich ganz bewusst auf ein überschaubares Gebiet von 2,5 Millionen Einwohnern im Umkreis von 100 Kilometern von Bielefeld. "Man muss berücksichtigen", so Detlef Stoffel, "dass wir in diesem Gebiet keine wirkliche Großstadt haben." Dennoch sei man erfolgreich gewesen: "Den Naturkost-Großhändler muss man mir erst noch zeigen, der in seinem Liefergebiet mehr Umsatz pro Kopf der Bevölkerung macht".
"Dem Problem müssen sich kleinere Großhändler stellen"
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu - und der betrifft auch andere Großhändler ähnlicher Größenordnung: In einer sich verändernden Branchenstruktur steigen die Leistungsanforderungen. Kleinere Großhandelsfirmen könnten, so Detlef Stoffel, wegen der knappen Personaldecke bei bestimmten Serviceleistungen einfach nicht mithalten - wie etwa vor Ort-Beratung durch Spezialisten. Hinzu komme, dass wegen der sich angleichenden Großhandelssortimente (Stichwort: Naturata) die regionalen Besonderheiten für die Läden "nicht wirklich eine geschäftlich interessante Rolle spielen". Die Frage, ob dieses strukturelle Problem nicht auf andere Firmen in ähnlicher Weise zutreffe, beantwortet Detlef Stoffel mit ja: "Ich möchte der Branche sagen, Achtung, dem müssen wir uns stellen, auch wenn mich das als MfN-Geschäftsführer natürlich schmerzt."
Detlef Stoffel geht davon aus, dass Löwenzahn im Vergleich "nicht die schlechtesten" Zahlen schrieb. Der Umsatz für 2000 liege, aufs ganze Jahr hochgerechnet, bei 15 Millionen Mark. Das sei ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent. Das letzte Geschäftsjahr schließe mit Gewinn ab. Auch Mitarbeiter mit einer langen Kündigungsfrist bekommen ihr Geld bis zum Ende der Frist, wenn sie zuvor keinen neuen Arbeitsplatz finden. Die Firma Weiling wird den Beschäftigten von Löwenzahn ein Arbeitsplatzangebot machen, auf das sie sich allerdings bewerben müssen.
Vor den Gesprächen mit Bernd Weiling hatte Detlef Stoffel mit Hermann Heldberg von Naturkost Elkershausen über eine Kooperation nachgedacht (gemeinsames Lager, nur noch eine Verkaufs- und Vertriebsorganisation). Dass es dazu nicht kam, hatte zwei Gründe: die "Naturkost-Philosophien" gingen zu weit auseinander und das Lager hätte aus organisatorischen Gründen bei Naturkost West in Duisburg sein müssen. "Die sich hieraus ergebende Situation war für mich vor allem deshalb nicht zufriedenstellend", so Detlef Stoffel, "weil der finanzielle Hintergrund von Naturkost West nicht dem einer aus meiner Sicht 'traditionellen' Naturkostfirma entspricht und ich die Beweggründe und Zukunftspläne der Besitzer nicht einschätzen kann" (siehe auch SPECIAL 7/2000).
Gegenüber den Läden, die "ihrem" Großhändler ein "sehr schmeichelhaftes Vertrauen" entgegenbrachten, fühlte sich Löwenzahn verpflichtet, eine Empfehlung abzugeben. Dass sie zu Gunsten von Weiling ausfiel, hängt mit einer ganzen Reihe von Gründen zusammen. Zu den wichtigsten zählen die langfristige Perspektive (u.a. aufgrund des "top-modernen" Lagers) und die Übereinstimmung in grundsätzlichen Fragen, etwa Qualität statt Preisdumping. Detlef Stoffel entschied sich damit auch gegen NIEB. Zwar gibt es ein Angebot von Weiling, die bisherigen NIEB-Läden mit den entsprechenden Aktionswaren zu beliefern. Ob NIEB einer solchen Lösung zustimmt, hängt jedoch von einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung ab, deren Ergebnis bei Redaktionsschluss nicht vorlag. Unabhängig davon entsteht für die Läden natürlich die Versuchung, das Marketingangebot von Weiling auszuprobieren.
Und wie geht es für Detlef Stoffel persönlich weiter? Neben der halben MfN-Stelle würde der 50-Jährige die ehrenamtlichen Funktionen als Vorstandsmitglied des BNN-Großhandel und des Demeter-Marktforums selbstverständlich weiter ausfüllen, wenn die Gremien dies wünschen -Darüber hinaus ist er nicht unglücklich über eine gewisse "Auszeit".